Geschichte

Die Evangelische Gesellschaft wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet und bildete Teil einer Reformbewegung innerhalb der Zürcher Evangelischen Landeskirche. Aus ihrem vielfältigen Engagement im diakonischen und seelsorgerlichen Bereich entstanden im Laufe der letzten mehr als 175 Jahre verschiedene Werke, die praktisch alle selbständig wurden und heute noch bestehen.

Prof. Dr. Helmut Meyer hat die bewegte und bewegende Geschichte der Evangelischen Gesellschaft aufgearbeitet, die Antiquarische Gesellschaft hat sie als Neujahrsblatt 2011 herausgegeben, mit aktuellen Porträts von Bernhard Schneider.

Die Anfänge: Lesesäle, Verlage und Schulen

Zu den ersten Aktivitäten der Gesellschaft in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts gehörten die Einrichtung von Lesesälen für Jugendliche und von Lesezirkeln für Erwachsene, um sie an Sonntagnachmittagen von der Strasse zu holen. Aus der Verbreitung religiöser Schriften entstand schliesslich um 1933 der Zwingli-Verlag, heute ein Teil des Theologischen Verlags Zürich. Das Bildungsanliegen schlug sich auch in der Gründung der heute noch blühenden Freien Evangelischen Schule, dem Freien Gymnasium und dem Gymnasium Unterstrass.

Pionierarbeit: Diakonische Gründungen

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt sind die diakonischen Werke. Die ehemalige Diakonissenanstalt Neumünster, die heute als Teil einer selbständigen Stiftung den Spital Zollikerberg, das Pflegeheim Realp sowie das Alterszentrum Hottingen führt, wurde im Umfeld der Evangelischen Gesellschaft 1857 ins Leben gerufen. Das erste Spital führte die Evangelische Gesellschaft bei der Kirche Neumünster in Riesbach.

Die Zürcher Stadtmission wurde 1862 gegründet. Sie führt – heute in der Rechtsform eines Vereins und unter dem neuem Namen Solidara, der nach wie vor mit unserer Stiftung eng verbunden ist – im Niederdorf das Café Yucca, ein Treffpunkt für Menschen aller Altersklassen und aus sozial benachteiligten Umfeldern. Die koordinierte kirchliche Passantenhilfe wird von den reformierten und katholischen Kirchgemeinden der Stadt Zürich mitgetragen und im Café Yucca umgesetzt. Ein weiterer Arbeitszweig von Solidara befindet sich im Kreis 4: Isla Victoria, eine niederschwellige Anlauf- und Beratungsstelle und Treffpunkt für Frauen im Sexgewerbe.

Aus dem Heim für durchziehende Handwerksburschen entstand 1866 im damaligen Augustinerhof der Evangelischen Gesellschaft die Herberge zur Heimat. Heute befindet sie sich an der Geigergasse und bietet 50 Männern eine feste Wohnmöglichkeit mit Leichtpflege-Abteilung.

Die Evangelische Gesellschaft war eine der Mit-Gründerinnen der unter dem Namen „Dargebotene Hand“ landesweit aktiven und bekannten Telefonseelsorge. 

Nachhaltiges Wirken: Die Stiftung heute

1991 hat die Evangelische Gesellschaft des Kantons Zürich ihre Mittel und Aufgaben in die heutige Stiftung eingebracht. Die Stiftung nutzt die ihr im Laufe der Jahre übertragenen Liegenschaften teilweise direkt zur Erbringung von gemeinnützigen Leistungen; alle daraus gewonnenen Erträge verwendet sie für ihren Stiftungszweck: Zweigwerke (wie die Herberge zur Heimat) und Projekte im diakonischen und Bildungsbereich.
Spenden und Legate, auch in Form von Liegenschaften, sind der Stiftung jederzeit willkommen.

Als Vermieterin von Wohnungen und Gewerbeliegenschaften ist sich die Stiftung ihrer Verantwortung gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld bewusst. Die Stiftung ist darum bemüht, die von ihr wahrgenommenen diakonischen Aufgaben laufend den sich verändernden Bedürfnissen der Zeit anzupassen.

Parallel dazu sieht es die Stiftung als ihre Aufgabe, eine theologische Diskussion anzustossen, die Antworten auf die Fragen der heutigen Zeit gibt und die Sprache der heutigen Zeit spricht. Denn die Fragen, die das Evangelium stellt, und die Antworten, die es darauf gibt, bewegen auch heute. Die kritischen Fragen unserer Zeit, die von Naturwissenschafter*innen, Philosophen und Nationalökonom*innen radikal verhandelt werden, verdienen auch eine Stellungnahme aus der Sicht der christlichen Theologie. Die Stiftung will dem Gespräch zwischen Theolog*innen und Vertreter*innen verschiedenster Wissenschaften und gesellschaftlicher Gruppen Raum geben. Dazu gründete die Stiftung in ihrer St. Anna-Kapelle ein Forum für eine offene Diskussion.

Weiterfühende Informationen

In Kurzform die Meilensteine der Geschichte der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Zürich.

Helmut Meyer hat das umfangreiche Archiv der Evan­gelischen Gesellschaft ausgewertet. Koautor Bernhard Schneider ord­net die Gesellschaft in die Netzwerke und sozialreligiösen Traditionen ein und ergründet das heutige Selbstverständnis im Gespräch mit Exponen*innen der Gesellschaft. Die umfassende Geschichte der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Zürich ist am 2011 als Mitteilung der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich (Band 78) erschienen.

Helmut Meyer/Bernhard Schneider, Mission und Diakonie. Die Geschichte der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Zürich, Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 78, Zürich 2011

Buchrezensionen/Artikel

Evangelisches Zürich. Neue Zürcher Zeitung, 31.12.2010

Pioniere in tätiger Nächstenliebe.reformiert.info, 28.1.2011

Mission und Diakonie. Sigristen-Verband, April – Mai 2/2011

Presse: Käthi Koenig-Siegrist, Peter Opitz (Hg.), Orte der Reformation: Zürich, Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2016.